Das Markusevangelium ist die älteste uns bekannte zusammenhängende Darstellung der Geschichte Jesu. Im antiken Sinne handelt es sich um eine Biographie, aber nicht um eine im modernen Sinne. Die besondere Leistung des Evangelisten besteht darin, die verstreuten mehr oder weniger mündlichen Überlieferungen zu einer durchlaufenden Erzählung gestaltet und mit der bereits vorliegenden Passionsgeschichte verbunden zu haben.

Kapitel 1,1 nennt als Absicht des Verfassers, den Anfang des Evangeliums berichten zu wollen. Unter „Evangelium“ ist hier nicht das vorliegende Buch zu verstehen. Die Bezeichnung der Evangelien als Bücher ist erst seit der Mitte des 2. Jahrhunderts nachweisbar. Die Überschriften der Evangelienbücher samt Verfasserangaben sind also erst aus späterer Zeit. Deshalb ist auf die Verfasserangaben nicht viel Wert zu legen. Hier heißt es einfach „Verkündigung“, und zwar meint das Wort an dieser Stelle den Vorgang des Verkündigens im Unterschied zum Inhalt. Der Verkündigungsvorgang beginnt also beim irdischen Jesus selbst, nicht, wie bei Paulus, erst zu Ostern. Jesus verkündigt sich also selbst, wird aber nicht verstanden. Da nur der Anfang des Verkündigens bei Jesus selbst berichtet werden soll, fehlen sinngemäß die Ostergeschichten.

Das Markusevangelium will also über die Person Jesu Christi informieren. Es geht darin also um das, was in der Dogmatik „Christologie“ heißt. Der für den Evangelisten zutreffende Hoheitstitel Jesu ist „Sohn Gottes“, der an den drei entscheidenden Wendepunkten seiner Darstellung erscheint (1,11;9,7; 15,39). Als Mitte des Werkes hat Maria Horstmann vor 34 Jahren das Stück 8,27-9,13 ausgemacht. Schon ein Jahr vorher war Rudolf Pesch zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt. Er faßte die Mitte allerdings weiter: 6,30-10,52. So werden die beiden Blindenheilungen zum Rahmen der christologischen Mitte. Pesch hatte sein Ergebnis aus einer genauen Untersuchung des Aufbaus des Evangeliums gewonnen. Er entdeckte darin ein strenge Symmetrie.

Das 13. Kapitel fiel da allerdings heraus. Es muß sich um einen Zusatz, vermutlich aus der Hand des Verfassers aus aktuellem Anlaß handeln. Der war die Belagerung und der Fall Jerusalems im Jahre 70.